Mittwoch, 10. November 2004

44

Im Wald

Biken... fährt.


Da, wo ich herkomme, ist es anders. Hier, wo ich jetzt bin, ist es wieder anders. Ich bin ja überhaupt sehr für das Andere, weil ich einer bin, dem schnell fad wird. Andere, die an einem Witz drei Tage lang zu lachen haben, die brauchen das Andere nicht so. Denen hat schon ein anderer die Dämpfung im Hirn auf langsamste Stufe gestellt.
Wurscht, anders ist super. Da, wo ich herkomme, gibt es ein Gesetz, das keine Buchstaben braucht weil es länger besteht als die Schrift. Auf deutsch heißt es das Jedermannsrecht, und es besagt ungefähr: “Du darfst alles tun, solang es kein anderer sieht und es niemandem schadet.”
Du darfst dein Zelt aufbauen, wo immer du bist, außer die Bauerstochter sieht deinen nackten Arsch oder du kackst dem Knecht auf seine Hanfplantage.
Du darfst mit deinem Ski-Doo kreuz und quer im Wald herumglühen, solang die Wölfe gut schlafen.
Ähnliches gilt für die Enduro, oder wo glaubt ihr, kommen all die guten finnischen Motorradfahrer her?
Du darfst in jeden See springen, es sei denn, du trägst deine verstunkenen Downhill-Schützer: Damit würdest du der großen finnischen Stinkfisch-Industrie schaden.
Du darfst Schwammerl suchen und Beeren pflücken, du darfst dir deine Matratze mit Moos ausstopfen.
Dass du in Finnland mountainbiken darfst, wo immer du willst, brauche ich erst gar nicht zu erwähnen.
Es war dann schon sehr anders, als ich nach Österreich gekommen bin: Alles war anders. Anders ist super. Drum habe ich noch immer viel zu lachen, wenn ich hier in den Wald gehe.
Es fängt damit an, dass es überall im Wald breite Wege gibt, auf denen ein Jahrmarktzug fahren könnte. Aber wer bitte fährt mit einem Jahrmarktzug im Wald spazieren? Ich habe zwar noch keinen gesehen, aber wenn mir der erste begegnet, werde ich mich nackig machen und freudig mittanzen, das verspreche ich.
Außerdem haben sie überall im Wald Bäume gesetzt, die aber keine Wurzeln haben, sowas erkennt ein Finne blind gegen die Sonne. Wie soll denn ein Baum wachsen ohne Wurzeln? Der Mensch kann sich ohne Hosenkarnickel auch nicht vermehren, nicht einmal ein finnischer Mensch. Es muss wohl ein Fruchtbarkeitssymbol sein, das gern an diese wurzellosen Bäume genagelt ist, ein Fruchtbarkeitssymbol aus Blech, mit Buchstaben drauf, die ich gottseidank in keine sinnvolle Bedeutung zu verwandeln mag, Finne, der ich bin: Fahrverbot? Klingt russisch in meinen Ohren. Sind die Wälder hier voller vergessener Russen? Und wenn ja: Sind sie scharf? Kann man die Sauce trinken, ohne Wimmerl zu kriegen? Werden sie von schnöden Zahnstochern gehalten oder von diesen formschönen Keilen mit dem gerundeten Ende? Es verhält sich wie mit dem Jahrmarktzug: Ich habe noch keinen gesehen, aber wenn ich einen sehe, werde ich ihn mit großem Genuss verspeisen.
Der Biker in diesem Land hat eine Neigung dazu, Eisengestelle auf seine Autos zu schnallen und das Mountainbike draufzuhängen. Ein Fruchtbarkeitssymbol vielleicht auch dies; man weiß ja, dass es nix geileres gibt als das Biken. Aber muss man wirklich mit offenem Hosenlatz durchs Land ziehen? Bei einer schüchternen Finnin wäre das nur in Ausnahmefällen von Erfolg belohnt. Sollte ich aber eine Frau gewärtigen, die einen Mann bespringt, nur weil er ein Bike an das rektale Ende seines Autos geschnallt hat, werde ich nicht zögern, es ihm gleich zu tun.
Wohin aber fahren sie mit ihren Autos? Fahren sie quer durchs Land, um das Bike zu entladen, zu treten, mit ihm zu bremsen und zu lenken, um hierauf wieder zum Auto zurückzukehren? Ich habe Mountainbiken immer so verstanden, dass du dich da, wo du bist, draufhockst und fährst. Warum muss ich vorher mit der Stinkekiste fahren? Ist da etwa eine geheime Duathlon-Meisterschaft im Gange, von der ich nix weiß? Dreihundert Kilometer mit dem Auto, dreißig mit dem Bike, wieder dreihundert mit dem Auto, Bestzeit? Wie verträgt sich das mit dem Triathlon den Deutschen, die siebenhundert Kilometer mit dem Auto fahren, in Italien fünf Kilometer am Bike sitzen und dann dreißig Weißbiere trinken?
Ich werde noch lange Zeit in diesem Land bleiben müssen, um die hiesigen Sitten und Gebräuche wirklich zu verstehen.

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Im Wald


Biken...denkt nicht, er entschuldigt sich.


Heute auf ausdrücklichen Wunsch meiner unbekannten Freunde aus dem Internet, die mich immer mit Zuneigungen überschütten, dass es mich nur so freut, eine Liste.
Und zwar die Liste der guten Antworten auf die Frage, warum man gerade da bikt, wo man eben bikt, gestellt von einem, der sich beamtet fühlt, das zu fragen:

Puhutteko suomi? (Sprechen Sie finnisch?)
En ole ymärtänyt kaikkea. (Ich habe nicht alles verstanden.)
Voisitteko puhua vähän hitaammin! (Sprechen Sie bitte etwas langsamer.)
En voi oikein hyvin. (Ich fühle mich nicht recht wohl.)
Olen tilannut huoneen. (Ich hatte bei Ihnen ein Zimmer bestellt.)
Tarvitsen välttämättä lääkariä. (Ich brauche dringend einen Arzt.)
Minulle on sattunut tapaturma. (Ich hatte einen Unfall.)
Ottasitteko minut mukaan vähän matkaa? (Würden Sie mich ein Stück mitnehmen?)
Tarvitaanko kalastuslupaa? (Braucht man einen Angelschein?)
Hyvää yötä! (Gute Nacht!)

Schwieriger gestaltet es sich, so der Verdacht, Finne zu sein, nicht glaubwürdig aufrecht erhalten werden kann. In diesem Fall mag Portugiesisch hilfreich sein:

11. Pode falar mais devagar? (Können Sie langsamer sprechen?)
12. Quem? Que? Como? (Wer? Was? Wie?)
13. Me sinto mal. (Ich bin krank.)

Geht auch das nicht, steht der Flucht ins Tschechische nichts darwider:

14. Jemu nevê^ríme. Je velik´y lhá^r. ACHTUNG: HACEKS UMGEKEHRT UND AUCH AUF DEN BEIDEN “R”. MUSSTA MACHA IN DA XPRESS. KANN DA WORD NET. (Ihm glauben wir nicht. Er ist ein großer Lügner.)
15. Jel skrz mêsto pomalu. HACEK WIEDER UMDREHEN, DANKESCHEN! (Er ist durch die Stadt langsam gefahren.)
16. Videl jsi to vlasníma o^cima? HACEK AUFS “C” UND UMDR... (Hast du es mit eigenen Augen gesehen?)

Kapituliert das Ordnungsorgan noch immer nicht, wird’s schwierig. Latein als Antwort-Sprache ist auszuschließen, weil es nämlich nicht auszuschließen ist, dass in der Ordnungsorgan-Ausbildung Latein gelehrt wird. Desgleichen gilt, wiewohl unwahrscheinlich, für Griechisch, Klingonisch, Mickymäusisch und Afrikaans.
Tut es not, in deutscher Zunge seine Antwort zu geben, wird das Eis dünn und das an den Tag zu legende Benehmen höflich:

17. Ich erkunde die Strecke für den Radmarathon des Polizeisportvereins. (Und zwar so gründlich, dass der Marathon ewig dauern wird.)
18. Ich suche meinen Cousin, er ist ebenfalls bei der Polizei/Försterei/Jägerei. (Oder zumindest war er mein Cousin, bis ihn die Familie verstoßen hat.)
19. Diebe haben mein Licht, die Rückstrahler, Klingel und Speichenreflektoren gestohlen. Ich verfolge sie gerade. (Und das kann dauern, zumal Sie mich gerade aufhalten.)
20. Ich muss die Fahrverbots-Schilder kontrollieren. (Ja, auch die neuen, die gerade frisch gewachsen sind.)
21. Der Helm drückt auf mein Orientierungsvermögen. (Immerhin trage ich keinen Hut.)
22. Ist das Ihr Auto da hinten, an dem sich die Rindviecher reiben? (Und den rechten Kotflügel schon halb eingedrückt haben?)
23. Wissen Sie eigentlich, dass in dem Waldstück da hinten glatzerte Gestalten mit abgesägten Schrotflinten herumrobben? (Fordert Verstärkung an und gebt mir das Goldene Verdienstzeichen der Republik!)
24. Wie wird man eigentlich Polizist/Förster/Jäger? (Nicht, dass es mich wirklich interessiert. Aber wer von sich erzählt, stellt keine blöden Fragen.)
25. Sehen Sie die versteckte Kamera? (Ich auch nicht. Könnte aber hinter jedem Busch eine sein, in Zeiten wie diesen.)

Hilft das alles nichts, setzt man einfach seine Tarnkappe auf, wird unsichtbar und fährt davon. (Freunde von Perry Rhodan können es auch mit simpler Teleportation versuchen.)

vilen shönen guten tagen, wie wir daheim sagen.

oder so ähnlich. hyvä päivä zum beispiel. oder haista paska, wenn was zwickt, das rehleder in der fahrradhose etwa.
ist mir also eine eigene computerhomepage passiert, oder wie das da heißt, wo ich jetzt herumfuhrwerke.
computertechnisch bin ich ja nackt wie die felge eines usp-laufrades, die man des mantels entblößt. so beschlagen wie ein turnsaalpferd. so pfiffig wie der trommler der drei lustigen fünf. und bei der kleinschreiberei ertappe ich mich auch schon.
das ist nicht gut.
gar nicht.
tu ich lieber hin auf die seite, was schon da ist, nämlich ein bissl ein altes zeug, auf dass es euch pläsiere und erfreue.
auch im dialoge mit mir könnt ihr euch hier üben, so ich diesen platz noch einmal finde.
zur höflichkeit täte ich wanderer, die auf dieser wiese grasen, halt drängen, weil so eine wiese ist schnell einmal eingezäunt. und auf eingezäunten wiesen ists schlecht biken.

sehen dich in höllen, wie wir daheim sagen, wenn wir uns nicht auskennen und zu viel in den fernseher reingeschaut haben ohne strom.

ron

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