Mittwoch, 10. November 2004

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Im Wald

Biken... fährt.


Da, wo ich herkomme, ist es anders. Hier, wo ich jetzt bin, ist es wieder anders. Ich bin ja überhaupt sehr für das Andere, weil ich einer bin, dem schnell fad wird. Andere, die an einem Witz drei Tage lang zu lachen haben, die brauchen das Andere nicht so. Denen hat schon ein anderer die Dämpfung im Hirn auf langsamste Stufe gestellt.
Wurscht, anders ist super. Da, wo ich herkomme, gibt es ein Gesetz, das keine Buchstaben braucht weil es länger besteht als die Schrift. Auf deutsch heißt es das Jedermannsrecht, und es besagt ungefähr: “Du darfst alles tun, solang es kein anderer sieht und es niemandem schadet.”
Du darfst dein Zelt aufbauen, wo immer du bist, außer die Bauerstochter sieht deinen nackten Arsch oder du kackst dem Knecht auf seine Hanfplantage.
Du darfst mit deinem Ski-Doo kreuz und quer im Wald herumglühen, solang die Wölfe gut schlafen.
Ähnliches gilt für die Enduro, oder wo glaubt ihr, kommen all die guten finnischen Motorradfahrer her?
Du darfst in jeden See springen, es sei denn, du trägst deine verstunkenen Downhill-Schützer: Damit würdest du der großen finnischen Stinkfisch-Industrie schaden.
Du darfst Schwammerl suchen und Beeren pflücken, du darfst dir deine Matratze mit Moos ausstopfen.
Dass du in Finnland mountainbiken darfst, wo immer du willst, brauche ich erst gar nicht zu erwähnen.
Es war dann schon sehr anders, als ich nach Österreich gekommen bin: Alles war anders. Anders ist super. Drum habe ich noch immer viel zu lachen, wenn ich hier in den Wald gehe.
Es fängt damit an, dass es überall im Wald breite Wege gibt, auf denen ein Jahrmarktzug fahren könnte. Aber wer bitte fährt mit einem Jahrmarktzug im Wald spazieren? Ich habe zwar noch keinen gesehen, aber wenn mir der erste begegnet, werde ich mich nackig machen und freudig mittanzen, das verspreche ich.
Außerdem haben sie überall im Wald Bäume gesetzt, die aber keine Wurzeln haben, sowas erkennt ein Finne blind gegen die Sonne. Wie soll denn ein Baum wachsen ohne Wurzeln? Der Mensch kann sich ohne Hosenkarnickel auch nicht vermehren, nicht einmal ein finnischer Mensch. Es muss wohl ein Fruchtbarkeitssymbol sein, das gern an diese wurzellosen Bäume genagelt ist, ein Fruchtbarkeitssymbol aus Blech, mit Buchstaben drauf, die ich gottseidank in keine sinnvolle Bedeutung zu verwandeln mag, Finne, der ich bin: Fahrverbot? Klingt russisch in meinen Ohren. Sind die Wälder hier voller vergessener Russen? Und wenn ja: Sind sie scharf? Kann man die Sauce trinken, ohne Wimmerl zu kriegen? Werden sie von schnöden Zahnstochern gehalten oder von diesen formschönen Keilen mit dem gerundeten Ende? Es verhält sich wie mit dem Jahrmarktzug: Ich habe noch keinen gesehen, aber wenn ich einen sehe, werde ich ihn mit großem Genuss verspeisen.
Der Biker in diesem Land hat eine Neigung dazu, Eisengestelle auf seine Autos zu schnallen und das Mountainbike draufzuhängen. Ein Fruchtbarkeitssymbol vielleicht auch dies; man weiß ja, dass es nix geileres gibt als das Biken. Aber muss man wirklich mit offenem Hosenlatz durchs Land ziehen? Bei einer schüchternen Finnin wäre das nur in Ausnahmefällen von Erfolg belohnt. Sollte ich aber eine Frau gewärtigen, die einen Mann bespringt, nur weil er ein Bike an das rektale Ende seines Autos geschnallt hat, werde ich nicht zögern, es ihm gleich zu tun.
Wohin aber fahren sie mit ihren Autos? Fahren sie quer durchs Land, um das Bike zu entladen, zu treten, mit ihm zu bremsen und zu lenken, um hierauf wieder zum Auto zurückzukehren? Ich habe Mountainbiken immer so verstanden, dass du dich da, wo du bist, draufhockst und fährst. Warum muss ich vorher mit der Stinkekiste fahren? Ist da etwa eine geheime Duathlon-Meisterschaft im Gange, von der ich nix weiß? Dreihundert Kilometer mit dem Auto, dreißig mit dem Bike, wieder dreihundert mit dem Auto, Bestzeit? Wie verträgt sich das mit dem Triathlon den Deutschen, die siebenhundert Kilometer mit dem Auto fahren, in Italien fünf Kilometer am Bike sitzen und dann dreißig Weißbiere trinken?
Ich werde noch lange Zeit in diesem Land bleiben müssen, um die hiesigen Sitten und Gebräuche wirklich zu verstehen.

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dita - 19. Nov, 14:26

jo hö

do schau i owa - der perkelino geht ins netz!

gfoit ma.

grü aus glem(m)orous city

the holy one -> die jetzt zum tiefschneetauchen geht

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