Sonntag, 12. November 2006

42: They called her Verengi

Es neigt der Mensch ja zum Fortfahren, so er kein Statiker ist, und zuweilen fahren auch die fort. Müssen sie ja, denn keiner kann nur da statieren, wo er steht, nicht einmal als Statist. So ist der Stand der Dinge.
Manche Menschen sind immerfort fort, ich aber bin nie daheim, nicht einmal im Heim. Da schmeißen sie mich nämlich auch immer raus. Dann fahre ich aus der Haut.
Wenn ich so aus der Haut fahre, dann nehme ich mit, was ich brauche, um mich außerhalb meiner Haut derselbigen zu erwehren, also mein Mundwerk. Gern fahre ich aus der Haut, wenn wo eine Ungerechtigkeit ist, wo keine sein sollte (außer es trifft die Richtigen selbstverständlich).
Ungerecht ist es, wenn mich jemand überholt, bergab ebenso wie bergab, bergab oder bergab. Die Ebene gilt nicht, ganz zu schweigen von der Steigung. Dort können sie mit mir machen was sie wollen, weder ficht, noch tannt oder erlt es mich an. Wenn aber bergab einer kommt, der schneller fährt als ich, dann fährt eine giftige Wolke aus Schwefel und Dampf gen Himmel, dass Soujourner, die Marssonde, ausschlägt wie ein Masernkranker und Nasa, Esa und Lisa kopfstehen lässt. Auf die Wolke folgt ein Blitz, das bin ich ohne Haut. Ohne Haut musst du schnell sein, du verkühlst dich so leicht.
Der Gipfel der Ungerechtigkeit widerfuhr mir vor ein paar Jahren bei einem Downhill im Land hinter den sieben Bergen: Ich heroisch mit meinem Bike am Trail kämpfend, druckvoll am Gouvernal, mächtig am Pedal, ein Blick aus Stahl, Wurzelfelder nehmend auf ein Mal, die Linienwahl verschlagen wie ein Schakal.
Eigentlich fuhr ich eh ganz normal.
Doch auf einmal begann die Erde zu beben, meine Federelemente waren völlig überfordert und ich auch. Schemenhaft wackelte der Horizont am Horizont, Bäume knickten seitwärts, seufzend geronnen Steine zu heißer Lava. Eine Druckwelle nahte, sie riss alles nieder, alles bis auf mich.
Schreckenstarren Auges sah ich es an mir vorüberdonnern wie noch nichts an mir vorüber gedonnert war. Es sah aus wie ein Elefant, hatte aber einen Hintern wie ein Flugzeugträger. Mächtig, mächtig, mächtig. Über dem Hintern spannte sich der Schriftzug einer Bikefirma, comicshaft bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Der Stollenreifen hatte eine Schneise in die horizontale Mitte des Flugzeugträgers geschlagen, die beiden Seitenteile wurden durch üppige Fettwülste von unten klug abgestützt.
Da muss ein ziemlicher Statiker unterwegs gewesen sein, dachte ich noch bei mir, bevor mir der Windsog den Atem nahm. Er roch nach Frauenparfum (der Windsog, nicht mein Atem). Das weiß ich noch. Dann bin ich zuerst in Ohnmacht oder zu Boden gefallen oder umgekehrt, ich weiß es nicht mehr.
Die Gnade der Ohnmacht währte zu jung. Erst kam ich zu mir, dann fuhr ich aus der Haut. Das, was einst ein Downhillparcours gewesen war, ähnelte nun einer Bobbahn für Walrösser. Ein tiefer Graben teilte den Berg in zwei Hälften, wer auf der einen stand, konnte nicht mehr auf die andere und umgekehrt. Der Graben endete in einem dampfenden Krater im Gegenhang. Dort war der nach NafNaf riechende Marschflugkörper eingeschlagen, hatte den Berg durchbohrt und einen birnenarschförmigen Höhleneingang hinterlassen in der Größe eines durchschnittlichen finnischen Sees.
In der nächsten Minute registrierten die führenden Raumfahrtbehörden der Welt zwei Ausschläge: Das eine war mein Wutausbruch über das Überholtwerden und die gleichzeitige Zerstörung von Kulturlandschaft. Den zweiten Ausschlag registrierten sie, als der parfümierte Elefant in Bikehosen die Erdkugel irgendwo im Pazifik durchschlug und im All verglühte.

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