Montag, 26. Februar 2007

Böse Biker

und gute Läufer, manchmal:


Achtung, Winterbonus: Heute gibt es zwei Geschichten statt einer.
Geschichte eins:
Perkelino tut was für seinen geschundenen Kadaver, daher geht er Cross-Country-Fahren. Das tut er öfter in letzter Zeit, er hat auch eine schöne Runde dafür. Sie ist 30 Kilometer lang und führt ihn von seiner Heimstätte über die Berge in die Täler und von hier wieder zurück. Es ist eine schöne Runde, wo die Anstiege lang und flach, die Abfahrten aber kurz und wild sind. Perkelino ist ein Langsamer, daher dauert die Runde gern zwei Stunden. Nur manchmal, da versucht er, schneller zu sein als er selbst. Da gibt er bergauf Gas, um berghab nur noch mehr Gas geben zu können.
Perkelino fährt diese Runden mit einem Hardtail und dünnen Reifen, damit er bergauf so schnell sein kann, wie es seine schwächliche Konstitution erlaubt. Bergauf allerdings wohnt die Tücke im Gerät, selbst bei vier bar Luft in den Reifen. Dafür bürgt schon der Fahrstil des Perkelino, der der direkteste und geradeste ist, den sich einer vorstellen kann. Perkelino läßt keine Wurzel, keinen Stein aus, der in seiner vermeintlichen Ideallinie liegt. Nicht von Ungefähr sondern von Amerika schicken sie ihm die neuen Teile zum Testen, denn was einen Perkelino überlebt, das überlebt alle.
Just am weitest entfernten Punkt seiner Cross Country Runde also hatte Perkelino jüngst den Durchschlag seines Lebens, der Reifen, Schlauch und Felge unwiederbringlich zerstörte. Er saß also im Wald und dachte nach.
Plötzlich tauchte eine Läuferin auf, eine Frau, zwanzig Jahre älter als Perkelino aber fest im Training. Pulsmesser, enge Funktionshose, eine jener Personen also, die wie die Strunze blöd im Wald herumrennen und unglücklich schauen. Die Läuferin blieb stehen und bot Perkelino an, ihn nach Hause zu bringen. Sie wohnte quasi ums Eck, gemeinsam luden sie die Reste des Bikes in den Voyager und sie brachte ihn bis vor die Haustür, 15 Kilometer entfernt.
Geschichte zwei.
Ein Perkelino bekannte Bikerin schüttet ihr Herz aus und zeigte ihre Narben her. Diese Narben stammen von den Pedalen und den Lenkern anderer Biker bei Marathons. Alle fahren, als ob sie allein auf der Strecke wären, sagte sie. Sie fahren direkt durch dich durch. Wenns scheppert, dann scheppert es eben. Geschimpft wird sowieso. Perkelino, der an das Gute im Biker glaubt, setzte sich hin und fuhr den Computer hoch.
Er trieb sich in diversen Bike-Foren herum. Er traute seinen Augen nicht. Ratlose Gestalten mit falschen Namen beschimpfen einander auf das Derbste, gottseidank versteht er keine deutschen Schimpfworte, nur finnische, sonst wäre er rot geworden. Die, die nicht mitschimpfen, versuchen, ein Mindestmaß an Zivilisiertheit einzumahnen, beginnen dann selber zu schimpfen und resignieren irgendwann.
Das kann doch nicht sein, dachte er, und mischte sich ein. Auf das Posting eines Wildgewordenen antwortete er dies:
Lieber Lavendelwasser!
Wie Harfenklänge in meinen Ohren klingt das Schokopürre, das du durch deinen aromatischen Spund absonderst. Du violett strahlendes Heizkissen, ich bewundere die Prägnanz deiner Wolken. Wie Synchroncurling klingt das Pferdegeschirr deines Homeruns, elfengleich ist dein Schuhband. Gelobt sei dein Milchreis, gebenedeit dein Badetuch. Gemeinsam mit dir und deiner Mahlzeit werden wir jauchzen wie der Anu von Uruk. Nichts ist imprägnierter als die Schwerelosigkeit deiner Briefmarkensammlung. Kein Sauerkraut kann so musisch sein wie die Materialfürze deiner Strickmaschine. Kein Bündchen ist so sonderangebotig wie die Gleitfähigkeit deines Fischstäbchens. Nie wird ein Pustekuchen so viel Federweg haben wie dein Kleiderschrank. Deshalb bitte ich dich: Verschließe deinen Tagesrand!
Seit er die Antworten auf dieses Posting bekommen hat, geht Perkelino mit der Überlegung schwanger, Marathonläufer zu werden.

Das frühe Tieschen

Ich mag meine Tieschens, und ich mag sie schon lange, bin ich draufgekommen:



In Wahrheit lebe ich nicht im richtigen Leben. Ich lebe in einer Welt, die aus Papier besteht. Meine Freunde heißen Perry Rhodan, Asterix oder Rantanplan. Wenn das Papier höher steht als meine Ohren, dann bin ich daheim. In dieser Welt bin ich Mountainbike-Weltmeister, Weltenlenker wie –retter und hab immer was Trockenes zum Anziehen. Diese Welt ist schön, und ich vergesse darob meine jämmerliche Gestalt. Meine Wunden schmerzen nicht und es gibt keine gebrochenen Federgabeln.
Ich weiß, dass es diese Welt nicht gibt, aber das stört mich nicht.
Umso verstörter war ich, als ich entdecken musste, dass es eine Welt gibt, die genauso ist wie die in meinen Träumen. Eine Welt, wo alle biken wie die Bösen, dabei mannigfaltige Meister werden und eine schöne Zeit haben. Wo die Helden herkommen, ohne dass sie draufkommen, dass sie Helden sind, genauso wie meinetwegen Majestix nie auf die Idee kommt, dass er nicht nur Bügermeister ist sondern auch Held, nur weil er grad zufällig in einem Comic vorkommt.
Diese Welt liegt nicht in Finnland, sondern in der Steiermark. Vielleicht ist die Steiermark ja das bessere Finnland, wer mag das beurteilen, außer vielleicht mein alter wie junger Freund O’Creekman, der grad oben weilt.
Sag ich jetzt also, der Steirer ist der bessere Finne, rein paradiesmäßig. Solches entschlüpft mir nicht leichtfertig, ich vermag das auch zu untermauern. Die Essenz des Finnentums im Styriaken liegt in mehreren Nestern im südöstlichen Zipfel der Steiermark, man mag sich Bad Radkersburg als geographische Bookmark setzen, damit sich einer was vorstellen kann.
Dort also geht es so: Alle fangen an zum Biken, jeder kann das noch besser als der andere, und wenn das einer heute nicht so gut kann wie der andere, dann übt er so lang, bis er es morgen besser kann. Die Gegend ist flach wie ich im Geldbörsel. Dennoch kommen aus dieser Gegend die besten Downhiller des Landes. Glauben und Wille versetzten keine Berge, sie ersetzen oder erschaffen sie.
Eine geeignete Wiese wird sich zugeeignet und darin eine Dual-Bahn gegraben. Das ist Arbeit, und zwar so richtig. Das hat nix zu tun mit einem Dirt-Jumper, der mit spitzer Schaufel den Finishing Touch an den Absprung legt. Denn vorher muss einer den Erdhaufen aufschaufeln. Er muss Anlieger in den trockenen Boden schlagen, muss Tables aufschütten und Doubles gebären. Das bringt Schwielen an den Händen und Schlafengehen um sieben vor lauter Fertigsein.
Dort aber, im real existierenden Paradies, ist die Bahn nicht nur fertig, sondern wunderschön. Die Anlieger sind glatt als wären sie verfliest. Die Sprünge sind frei von schlampigen Hinterhältigkeiten. Rundherum blüht ein Meer von Sonnenblumen. Die Bahn ist schön wie ein Tonträger vom VEB Schallplatten Berlin, etwa Chile-Resistencia, aufgenommen im Jahre 1978. Richtig, „Marta, Ugarte Se Queda“ ist da drauf. Nicht aus Zufall werden die Paradise-Masterminds Engels genannt im Nachnamen. Nein, Zufall ist das keiner. Auch klang der Name Hias nie feiner als hier, im steirischen Paradies.
Wenn das Starterhaus zu streichen ist, nimmt der ganze Ort einen Pinsel zur Hand, egal, ob er jemals hier heraus starten wird oder beim nächsten Rennen am großen Sprung stehen und zujubeln. Jemand wird einen frisch gepressten Apfelsaft bringen und alle werden daran teil haben, streichend im Rhythmus zum Klange des DJ Full Bull, eines großen Grenzgängers zwischen Radio Steiermark und Radio Helsinki.
Und Rennen veranstalten können sie wie sonst kaum einer, ein einziges riesiges Fest. Die örtliche Bauernschaft steht mit großen Augen daneben und freut sich aus wunderbar zerfurchten Augen über das, was vor ihren Augen geschieht. Kleine Kinder stehen mit handgemalten Plakaten am Streckenrand, drauf steht: „Viel Glück, Petra!“ oder „Machs gut, Matthias!“ Mir wird da immer ganz warm ums Herz, auch wenn ich nicht gemeint bin.
Dass die schönsten Pokale beim besten Rennen seit Menschengedenken dann doch wieder in der Redaktion der Mountainbike-Revue landen, hat mit mir nix zu tun. Was werden sie da geschweißt haben, die Paradieser!

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