Donnerstag, 18. September 2008

Jetzt bin ich aber stolz...

dass ich nach Jahren geistigen Schimmelns meinen Login rekonstruieren konnte...
Nicht, dass ich jetzt versprechen könnte, dass es ab sofort hier wieder zugehen wird wie in einem Bienenstock im Juli, aber einen Text gibts zumindest wieder, einen frischen:


Im Wald ungefähr 107


Es war ein schönes Rennen gewesen. Die Biker hatten das ihnen Möglichste getan, um möglichst positiv aufzufallen, waren wird gestrampelt und anmutig gekurvt, die Zuschauer hatten artig applaudiert und fest angefeuert. Auch das Wetter hatte keinen Anlass zur Klage gegeben; Weder war es zu nass, zu trocken, zu kalt oder zu feucht gewesen, Hagel und Graupelschauer waren fern geblieben, ein perfekter Sonntagnachmittag in der Natur. Das hätte er auch bleiben können, hätten nicht drei Gestalten auf ihren Auftritt gelauert und diesen schmerzhaft hinausgezögert. Die drei Gestalten wussten: Ihnen war heute kein Auskommen. Darum zelebrierten sie ihre üblichen Sonntagnachmittag-Tätigkeiten. Der eine wohnte ausgiebig einem Feuerwehrfest bei, der andere schaute das Betthupferl für Erwachsene, die Formel 1, während der dritte turnusmäßig seine Drittfrau heimsuchte unter Vorschützung wichtiger Termine daheim.
Darum mussten die Biker, ihre Freunde und die wackeren Zuschauer zwei Stunden lang nach Rennende noch warten, bis sie endlich alle drei angetanzt waren zur Siegerehrung: Der Bürgermeister. Der Tourismusobmann. Der Landtagsabgeordnete.
Der erste, schwer gezeichnet schon vom Feuerwehrfest, eröffnete die Zeremonie, nein, keine Angst, er werde sich kurz fassen, ein paar Worte nur. Als stünde er vor lauter Volldillos, die ein Raumschiff in der Region verloren hätte, statt vor Sportlern, die während der letzten Tage noch den letzten Stein erkundet hatten, erklärte er die bevorzugte Lage der Region, pries ihre landschaftliche Schönheit, deklinierte die Errungenschaften seiner Amtsperiode (Fußpilzdusche im Freibad, Renovierung der Durchzugsstraße, Geländer für alle Hochsitze im Gemeindegebiet), um sich in drei unzusammenhängenden Sätzen unglaubwürdig über die sportlichen Leistungen zu erstaunen: „Und dass uns ein so ein damisches Speichenspektakel noch einmal blühen möge, darauf lasse ich einen herzhaften... darauf lasse ich im Namen meines Gemeinderats hoffen und wünsche allen erfolgreichen Pedalrittern, dass sich noch oft zu uns auf Besuch kommen werden mögen!“
Nicht weniger bemerkenswert die Ansprache des Tourismusobmanns. Noch nach Marketingseminar riechend, stolperte er auf die Bühne, die süße Erinnerung an zwei Stunden Schlummer am Sofa im Gesicht eingraviert, untermalt von dem zweistündigen Prüller’schen Lügenmärchen. Das hier zu replizieren, ebenso ohne auch nur einmal Luft zu holen, das war sein Ziel, und er scheiterte nur knapp. Bedankte sich bei den Sponsoren, den Sponsoren der Sponsoren, deren Großmüttern, die im Jahr 1956, Sie erinnern sich sicher, gemeinsam mit der Base des Besitzers jenes Grundstückes, durch das die geschätzten Akteure nach drei Vierteln der Renndistanz, dort, wo die Quelle entspringt, in deren Ausläufern am Roten Meer am 3. August 1754 der berühmte Cousin des nicht weniger berühmten Schriftstellers, der einst in unserer noblen Gmoa, und so schließt sich der Kreis, a propos Kreis, die Fahrer, die schon öfter bei uns zu Gast waren, werden mir Recht geben, dass wir wie immer unser Möglichstes getan haben, um auch diesmal...
Längst hätte man ihn mit Billasackerl erstickt, an der Tourismusbürotür angenagelt, im Freibad an die Schwammerldusche angehängt, wäre da nicht die Befürchtung gewesen, der Dritte der Gesellen, der Landtagsabgeordnete, hätte die dadurch eingesparte Redezeit vollständig für sich genutzt und womöglich einen noch größeren Holler geredet als der immerhin hier ansässige Tourismusobmann.
Indes: Weit gefehlt. Mit dem Instinkt von Kork, der noch in Gülle oben schwimmt, hatte die Knallcharge von Politiker flugs übernasert, dass an diesem Tag weniger Arbeit mehr Sympathie und womöglich noch einen kurzen Abstecher zur Viertfrau brächte, darum hielt er seinen Sermon kurz: „Ich will mich kurz halten,“ sagte er, und so referierte er bloß eine knappe halbe Stunde über die dem Publikum völlig unbekannten Segnungen des Radsports und sparte nicht mit Lob an den Organisatoren und seinem Parteifreund, dem Bürgermeister. Kurz und sachbezogen erwähnte er die drängenden Probleme (der Schwerkraft anheim fallende Fahrräder in China), gab sich sodann volksnah („aber das soll uns doch diesen schönen Nachmittag nicht verderben“), nicht ohne einen drohenden Ausblick auf das nächste Jahr zu liefern („und ich hoffe, auch im nächsten Jahr wieder hier zu stehen in diesem schönen Ort und die Sieger dieses formidablen Speichenspektakels zu ehren“) und schließlich Ernst zu machen und zur Tat zu schreiten („aber jetzt lasst uns Ernst machen und zur Tat schreiten“).
Wer gemeint hatte, dass endlich Medaillen um längst dick geschwollene Hälse gehängt werden konnten, damit die dermaßen Punzierten die Blechdinger endlich in die Laderäume ihrer Busse schleudern und heimwärts rasen konnten, hatten nicht mit dieser Überraschung gerechnet: „Aber bevor es soweit ist, noch eine keine Überraschung...“
Die Überraschung war dann der örtliche Kreuzstichclub unter der Leitung der Bürgermeisterfrau, der die Namen der Sieger live! vor Ort! einzigartig! In Turnbeutel einstickte, die an diesem Tag als kreativer Pokalersatz dienten.
Zur Siegerehrung selber kam es an diesem Tag übrigens nicht mehr. Die einen, die nach Einbruch der Dunkelheit nicht erfroren waren, verhungerten langsam in den nächsten Stunden.

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