Mittwoch, 9. März 2005

1 kg Roggenbrot

Nummer 48, noch gar nicht so lang her:


Ich mag ja alle. Grundsätzlich. Zwar nicht immer, aber schon. Ich mag Fußballer, denn ohne die würde es kein „11 Freunde“ geben. Ich mag Autofahrer, denn ohne sie gäbe es kein Motoraver Magazine. Ich mag Blumfeld, denn gäbe es sie nicht, würde man nicht wissen, wie gute Musik klingt, im Vergleich. (Dieses Phänomen kenne ich auch aus eigener Beobachtung: Nur weil ich mich unter klugen Menschen bewege, fällt meine Dummheit gar so auf. Aus reiner Höflichkeit wenden sich alle von mir ab, darum bin ich jetzt auch einsam. Aber noch finde ich immer einen, der klüger ist als ich. Zumindest, solang noch was Essbares daheim ist: „Dumm wie Brot“ ist der reinste Euphemismus für das, was ich bin. Und überhaupt: Hat schon einmal einer mit einem Roggenbrot diskutiert? Mit Dialektik kommst du dem nicht an.)
Mir ist der Cross-Country-Mensch so lieb wie der Tiefkühltruhenverkäufer, der Downhiller so lieb wie Herr Brockhaus. Den Förster mag ich ebenso gern wie den Jäger, vor allem dann, wenn er witzig ist. (Dass mir der witzige Förster lieber ist als der böse, darf aber auch keinen wundern.)
Den witzigen Förster erkennst du nicht an seiner Clownnase, sondern daran, was er sagt. Sagt er zum Beispiel, und um Euch das richtig vorzustellen, denkt Euch eine Stimme aus einem Weltkriegsfilm dazu, einen Feldwebel, der seine Partie von Achtzehnjährigen ins feindliche Sperrfeuer und in den Untergang schickt, auf dem Panzerspähwagen sitzend und den Flachmann mit heißem Rum umklammernd, während die armen Hunde ihre Schuhbänder auszuzeln, also eine Parodie, wo du nur wartest, das Oliver Hardy ums Eck biegt, so eine Stimme stellt Euch vor, und diese Stimme sagt:
„Hamma was verloren?“
Großäugig schickte ich ein Fragezeichen durch meine Smith-Brille.
„Kennan sie net redn?“
Diese Frage beschied ich negativ, also positiv.
„Ah eh. Und wos tamma do mitn Foaradl?“
„Radfahren,“ erwiderte ich, was der Förster für sich als „Foaradlfoan“ dechiffrierte:
„Und wo tans des, des Foaradlfoan?“
Mangels exakter Kenntnisse von Longi- wie Latitudinalkoordinaten meines Standpunktes replizierte ich ihm eine grobe Angabe der Vulgonamen jener Agrarökonomen, deren Gefielde ich jüngst durchmessen hatte.
„Und wos is des?“ begehrte das Forstorgan zu wisssen.
„Lustig,“ antwortete ich wahrheitsgemäß.
„A Gaudimax, wos, Wasti?“ frug er seinen ihn begleitenden Jagddackel, „der is jo gspassiger ois wia da Assinger. Net lustig is des. N-I-C-H-T im M-I-N-D-E-S-T-E-N. Sondern verboten. V-E-R-B-O-T-E-N. Hams mi?“
Zwar hatte ich weder ihn noch seinen Dackel, sondern bestenfalls gute Laune wegen der mir gratis dargebrachten Miniatur eines Löwinger-Bühne-Sketches oder des ORF-Hauptabendprogrammes generell, trotzdem formulierte ich ein vernehmliches „Yes, Sir!“
„Und Englisch kemma a. Supa, Burschi. (Man bemerke die ungefragte Verwendung des DU-Wortes.) Und wos tamma jetzt?“
„Weiterfahren,“ antwortete ich, enttäuscht, dass die Gratis-Aufführung der Löwingerbühne schon zu Ende sein sollte und klickte in meine SPD-Pedale ein.
„Na sicher nicht!“ brüllte der Förster. „Sicher nicht wirst du mir davonfoan, du Mountainbiker du! Name, Adresse, Vormund, Leumund, Führungszeugnis! Renitentes Subjekt!! Abführen!!!“
„Einführen.“ reimte ich wohlgelaunt weiter.
Unter wilden Grimassen beendete er endgültig seine Darbietung, sprach kurz in ein Handtelefon, während mich sein Hundsviech am Hosenboden zerrte, wir warteten ein wenig, dann kamen ganz viele Herren in grünen Anzügen, die mit mir reden wollten, aber weil die nicht so lustig waren wie der erste, wollte ich nix sagen und so hauten und kitzelten sie mich, es war eine rechte Balgerei da im Wald, und als ich wieder wach wurde, war es vor einer Tapete voller Rehe, da musste ich wieder lachen und denken an den lustigen Förster, den ich so gern mag wie ein Kilo Roggenbrot.

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